Geistige Ordnung finden

Was bedeutet es eigentlich, wenn man von sich sagt, daß man sich verzettelt? Schreibt man tagtäglich auf so viele Zettel, daß sie in Haufen auf dem Schreibtisch herumliegen? Schreibt man also nicht auf einen einzigen Zettel oder auf eine einzige Tafel?

Sicherlich ist das im übertragenen Sinne ein gutes Bild. Auf ein menschliches Leben angewandt heißt es, daß zu viele Gedanken gedacht und zu viele Ideen gesponnen werden, die nicht unter Dach und Fach bzw. in Einklang mit einem zielgerichteten Erfolgsplan gebracht werden können. Man ordnet die Gedanken und Ideen also nicht in den Plan ein und gewichtet sie auch nicht nach Priorität und Wichtigkeit, um sein Hauptziel zu erreichen. Vielmehr nimmt man jeden einzelnen Gedanken so ernst, daß man ihm im Geiste einen besonderen Platz zuweist. Übertragen auf unser Zettel-Beispiel schreibt man den Gedanken tatsächlich auf einen Extra-Zettel, anstatt ihn am geeigneten Ort auf den Hauptzettel (Hauptziel) als Unterpunkt zu ergänzen oder ihn einfach gleich wieder zu verwerfen, weil er nur ablenkt. Und so häufen sich die Zettel auf dem Schreibtisch und versperren als bald die klare Sicht des Denkers auf das Hauptziel, weil so viele Zettel im Zimmer und um den Schreibtisch herumliegen. Er bekommt das Gefühl zu fliegen oder im eigenen Gedankenwirrwarr zu schwimmen. Der Blick für das Hauptziel ging verloren, denn irgendwo unter dem Zettelhaufen (Gedankenwirrwarr) versteckt sich der Zettel mit dem ursprünglichen Plan, der zum gewünschten Erfolg führen sollte. Doch der ist schon längst abhanden gekommen und nun versucht der Zettelschreiber sich zu erinnern und die Zettel zu ordnen. Schnell wird festgestellt, daß er damit keinen Erfolg hat. Denn um die Zettel zu ordnen, liest er sich die Gedanken noch einmal durch und ihm fallen wieder neue Ideen dazu ein und diese schreibt er dann wieder auf und die Zettel vermehren sich wieder. Man könnte auch sagen, die Gedanken denken sich selbst.


Doch was machte unsere Zettelschreiber am Anfang, als er noch einen Zettel hatte auf dem er alles niederschrieb, als er noch ein Ziel hatte und diesem Ziel Schritt für Schritt und kontinuierlich entgegenstrebte? Er setzte sich in einer ruhigen Minute hin und überlegte, was er will. Er überlegte, was er im Leben erreichen möchte, welche Ziele, privat und beruflich, er wie erreichen könne. Doch Zeit verging und täglich wurde der Zettelschreiber mit neuen Informationen und Veränderungen in seinem Leben konfrontiert. Bestimmte Ziele hatte er erreicht, einige Ziele stellten sich als Scheinziele heraus, die an Priorität verloren hatten oder aber andere Ziele erzeugten wieder neue, so wie neue Situationen auch neue Erfordernisse und Anpassung bedürfen. Unser Zettelschreiber jedoch war nicht konzentriert und diszipliniert genug, nach bestimmten Regeln zu leben und neue Gedanken und Ideen zu integrieren, zu verhindern oder wieder zu verwerfen nach dem er die Nützlichkeit überprüfte.

Er ließ Arbeiten unfertig liegen, anstatt sie zu beenden und sich dann neu zu orientieren. Er ließ sich von der Gedankenfülle, dem Gedankenchaos seines Umfeldes verleiten und gab seine innere geistige Zielgerichtetheit und Klarheit auf, weil er auf jede Anfrage seines Umfeldes und auf jede Bitte seiner Freunde hin sofort bereit war, seine Arbeiten liegen zu lassen, um ihnen zu helfen. Als bald merkte er aber auch, daß es immer die anderen waren, die ihn um Hilfe und Rat baten und daß er im Gegenzuge kaum davon Gebrauch machte. Als er dies erkannte und selbstbewußter wurde, entschloss er sich auch die anderen mal um Hilfe, Rat oder deren Meinung zu bitten. So wie die anderen von ihm profitierten, wollte er dies nun auch tun, doch er stellte fest, daß nicht alle, denen er Hilfe und Rat gab, auch bereit waren für ihn das gleiche zu tun. Er hörte oft den Satz: „Tut mir leid, frag mich später! Ich habe gerade keine Zeit.“

Ausreden gibt es viele. Die anderen taten das, was der Zettelschreiber nie tat. Sie kümmerten sich ausschließlich und allein um sich selbst und lehnten jede Anfrage oder Ablenkung aus dem Umfeld ab. Damit mußten sie nie zu einem Zettel greifen, um die Gedanken um eine momentane Idee aufzuschreiben, denn sie führten sie aus. Unser Zettelschreiber hingegen nahm bei jeder Unterbrechung von seinem Umfeld Zettel und Stift zur Hand, um zu notieren, wo er gerade stehen blieb, was er gerade machen wollte und wie sein Ziel lautete. Doch meist wurde das Projekt des Zettelschreibers mit der schriftlichen Notierung auch beerdigt. Die Idee wohnte nun auf dem Zettel und die Arbeit blieb im Geiste und somit unvollendet. Dadurch blieb aber auch eine Verbindung des Denkers zu seiner Idee erhalten, denn er hatte sich nicht willentlich getrennt und die Idee aus dem Geiste verbannt oder den Zettel verbrannt. Nein, die Idee blieb im Geiste kleben und so zwangen die ganzen unvollendeten Arbeiten und Ideenzettel ihn in die Knie: Und nun sitzt er auf dem Boden und versucht sich wieder durch zu schaufeln auf den Grund des reinen Bewußtseins, zu der anfänglichen Leere, die ihm half bei seiner Planerstellung. Er schaufelt und schaufelt und schwitzt. Während er so arbeitet, denkt er sich: Nein, das möchte ich nicht noch einmal erleben. Ab dieser Minute konzentriere ich mich nur auf mich ganz allein. Ich nehme mir mein Recht und werde mir meiner Pflicht mir selbst gegenüber voll bewußt. Nun bin ich zu mir selbst loyal und stelle meinen Plan und meine Ziele niemals hinter die Ziele und Pläne anderer. Wenn ich glücklich und zufrieden bin, weil ich meine Ziele erreiche und die gewünschten Erfolge sich einstellen, dann erst kann ich darüber nachdenken, ob die Zeit und der Wille da sind, anderen zu helfen, wenn sie mich darum bitten. Er lächelte glücklich, verbrannte den letzten Zettel und machte sich daran, einen neuen Erfolgsplan aufzustellen.