Der Entscheidungsfindungsprozeß – Teil 1

Können wir uns frei zwischen mehreren Alternativen entscheiden?

Schnell ist man geneigt zu sagen: „Natürlich!“ Sehr viele Menschen haben das Gefühl, in Ihrer Wahl relativ frei zu sein. Doch kann allein aus dieser Meinung eine objektive Tatsache abgeleitet werden? Sind die zur Verfügung stehenden Varianten wirkliche Alternativen? Oder sind sie in Wirklichkeit nur logische Abwägungsfaktoren, die uns das Gefühl: „Alternativen zu besitzen“ nur vorgaukeln? Welche Rolle spielt die Emotion bei einem Entscheidungsfindungsprozeß? Werden nicht bereits bei der geringsten emotionalen Entscheidung, alle logischen Argumente über den Haufen geworfen und wird unsere Logik nicht zugunsten der emotionalen Entscheidung paßgenau zurechtgebogen? Wie sehr ist der Logik also überhaupt zu trauen, wenn sie dem Einfluß von Emotionen unterliegt? Und wenn die Logik in der Lage ist die Emotion zu bändigen, in wieweit ist sie dann vertrauenswürdig? Und was ist mit dem Bauchgefühl? Die berühmte innere Stimme, die uns vor Fehlentscheidungen warnt und sich ständig bemüht, uns auf bestmöglichem Wege durch das Leben zu lotsen. Wenn wir die Sache also so betrachten, dann besitzt unser Bewußtsein die Möglichkeit zwischen drei verschiedenen „Ratgebern“ auszuwählen und sich für eine der drei Varianten zu entscheiden.

Nehmen wir ein einfaches Beispiel. Jemand fährt mit dem Auto schneller als vorgeschrieben. Die Logik weiß natürlich, daß das verboten ist. Sie läßt sich jedoch von der Emotion (Ungeduld) überzeugen und argumentiert wahrscheinlich, daß man den entsprechenden Termin ansonsten nicht mehr rechtzeitig schaffen würde. Sie hat sich also wieder einmal zurechtbiegen lassen. Der Instinkt, die innere Stimme, schweigt hierzu, weil momentan keine Gefahr besteht. Er hatte uns bereits vorher darauf hingewiesen, daß es besser wäre, schon jetzt loszufahren und nicht erst auf den sogenannten letzten Drücker. Die logische Vorgehensweise wäre es jetzt, sich diesen Vorfall zu merken und das eigene Verhalten entsprechend umzustellen. Also im Klartext: Beim nächsten Mal etwas mehr Zeit für den Weg einzuplanen und somit ein paar Minuten früher loszufahren. Der sogenannte (logische) Lerneffekt. Aber geschieht das beim nächsten Mal wirklich?

Dazu bedarf es starken Willenseigenschaften, Selbstdisziplin und die Konsequenz, dieses Vorhaben dann tatsächlich umzusetzen und notfalls andere Dinge unerledigt stehen zu lassen, bis wir wieder zu Hause angekommen sind. Also so zu handeln, wie es der Instinkt von Anfang an geraten hatte. Das Seltsame ist, daß dieses Vorhaben in den allermeisten Fällen jedoch nicht umgesetzt wird und sich daraus die Gewohnheit entwickelt, immer zu spät loszufahren und daher auch immer unter Zeitdruck zu stehen.

Das heißt wiederum, daß eine klitzekleine Emotion (Nachlässigkeit, Bequemlichkeit = Trotz gegen die Notwendigkeit) für eine unlogische Verhaltensweise verantwortlich ist, die wiederum andere Emotionen (Ungeduld (schneller sein zu wollen), Streß (die Anspannung, das Ziel trotz vielen Verkehrs auch rechtzeitig zu erreichen), Nervosität, Zweifel und Angst (ob man es tatsächlich schafft) und Aggression (gegen andere Verkehrsteilnehmer, weil diese uns mutmaßlich den Weg versperren und unsere schnelle Fahrt behindern) und Verhaltensweisen animiert, die immer komplexer bzw. immer größer und immer unkontrollierbarer werden. Man nennt einen solchen Handlungsablauf auch

Kettenreaktion. Man könnte ein solches Verhalten auch als dumm bezeichnen, weil man (ganz im etymologischen Sinne des Wortes dumm) trotz besseren Wissens etwas Falsches unternimmt.

Man könnte jetzt noch viele weitere Beispiele aufführen, die jedoch (spätestens bei Komplikationen, also bei unvorhergesehenen Abläufen und Entwicklungen) auf das identische Untersuchungsergebnis hinauslaufen. Bleiben wir also bei dem einen, hier gewählten Beispiel. Bei näherem Betrachten des Beispieles ist auffällig, daß uns der instinktive Ratgeber, unser Bauchgefühl, niemals verläßt, niemals trotzig oder eingeschnappt reagiert oder unloyal zu uns wäre. Der Instinkt berät uns fortlaufend und zeigt uns sogar auf der von ihm eigentlichen abgelehnten Raser-Fahrt noch auf, wo Gefahrenstellen lauern, Blitzgeräte der Behörden stationiert sind oder erteilt uns ähnlich wichtige Informationen. Ein wahrlich vorzüglicher Ratgeber, der kein eigenes Ego kennt, deshalb nicht beleidigt reagiert oder uns den Ratschlag schweigend verweigert bzw. Fehlinformationen liefert, weil die Handlungsweise nicht dem entspricht, wozu er geraten hatte.

Die anfängliche Emotion (Ungeduld) verhält sich hingegen wie ein wahrer Verräter. Ständig wechselt sie um, schlägt in das Gegenteil über oder wird zu Angst, Übermut, Aggression gegen Andere und zeigt sich in vielen möglichen Facetten bis hin zur Mißgunst auf diejenigen Menschen, die pünktlich zum Termin erschienen und daraus Ansehensvorteile gewinnen konnten. Wer möchte sich also ehrlichen Herzens von einem solchen Ratgeber beratschlagen lassen? Die Schlußfolgerung liegt auf der Hand, man verzichtet auf jede Form der emotionalen Entscheidungsfindung und Handlungsweise.

Die Logik schlägt sich abschließend (wie ein reumütiges Kind) auf die Seite des Instinktes und beklagt lauthals, warum sie nicht gleich auf das Bauchgefühl gehört hätte. Beim nächsten Mal will sie es besser machen! Diese Annahme ist jedoch weit gefehlt, denn auch die nächste logische Entscheidung ist vor Irrtümern und daraus resultierender Reumütigkeit nicht gefeit. Sicherlich kann man die eigene Logik dahingehend trainieren, daß sie dabei hilft, die verräterischen Emotionen zu kontrollieren, zu bändigen und schließlich zu beseitigen. Logik will gewinnen, will Erfolge erzielen und kann insofern als (minderbemittelter) Verbündeter behandelt werden. Emotion will sich jedoch nur befriedigen, wobei das Gesamtwohl des Individuums ihr völlig gleichgültig ist und sie sogar bewußten Schaden in Kauf nimmt, wenn sie sich nur austoben und befriedigen kann. Das geht hin bis zum Selbstmord, um Mitmenschen emotional zu verletzen, diese zu bestrafen und sich im eigenen Selbstmitleid suhlen zu können.

Es ist daher nur vernünftig einem solchen Saboteur keinen Unterschlupf bei sich zu gewähren. Wer nämlich vorsätzlich, unbelehrbar und mutwillig schadet, der sollte nicht noch beherbergt, gefüttert, versteckt und gehätschelt werden. Wenn die Logik dabei helfen möchte dieses Vorhaben umzusetzen, dann kann sie hierbei sehr nützlich werden. Sie muß jedoch akzeptieren, daß sie das Gesamtkommando nicht wiederbekommen wird, sondern sich im Sinne des gemeinsamen Erfolges entsprechend einzufügen hat. Logik ist in der Lage, diese Vorgehensweise zu akzeptieren und gutzuheißen, solange sie emotional unbeeinflußt bleibt.

Der freie und unbeeinflußte Wille, das allgegenwärtige Bewußtsein, formuliert sich also als Ratgeber über unseren Instinkt. Das Bauchgefühl rät einem sowohl zum persönlichen Vorteil, als auch zur ganzheitlichen Komplexität und berücksichtigt gleichwohl die Einbindung in den kollektiven kosmischen Gesamtablauf. Zwei Dinge, die also gar nicht in Konflikt miteinander stehen, sondern deren Interessengleichheit von der Logik nur nicht immer erkannt werden kann. Es ist das Selbst, das uns hier die richtige Entscheidung offeriert.

Der freie Entscheidungsfindungsprozeß ist also keine Sache des Abwägens aus verschiedenen Möglichkeiten (der angeblich im Gesamtbewußtsein – in Wirklichkeit jedoch nur innerhalb der Logik stattfindet), sondern stattdessen nur die Direktschaltung zum bewußten Dasein und dem freien Selbst des Individuums.

Um diesen Sachverhalt in seinen Grundzügen darlegen zu können, muß jedoch noch kurz darauf eingegangen werden, was denn nun genau das Bewußtsein ist.
Bewußtsein ist kurz gesagt: „die sich selbstbewußte Fähigkeit zur aktiven Entscheidung“. Man kann nur dann von einem eigenständigen Bewußtsein sprechen, wenn eine eigene Entscheidungsfähigkeit sowohl vorhanden, als auch aktiv angewendet wird.

Der jeweilige Freiheitsgrad des Bewußtseins hängt natürlich von den Möglichkeiten ab, die man für sich selbst erschlossenen hat. Und hier bietet sich dem komplexeren (sozusagen mit der Möglichkeit auf das kosmische Kollektivbewußtsein zuzugreifen ausgestattetem) Instinkt, ein viel größerer Spielraum, als der einfachen Logik, deren begrenzte Sichtweise nur wenige Alternativen bietet. So sucht selbst die primitivste und dümmlichste Logik, die man sich nur vorstellen kann, Wahlmöglichkeiten, die sie für nicht-illusorisch hält und deshalb in den Auswahlrahmen einschließt oder von vornherein auszuschließen versucht.

Hier geht es zum zweiten Teil:
Der Entscheidungsfindungsprozeß Teil 2