Das Transhumanistische Zeitalter

Beim Transhumanismus geht es um eine Philosophie, die Technologie anzuwenden möchte, um die menschliche Evolution auf eine neue Stufe zu heben. Spirituelle Aspekte werden hierbei (zumeist) abgelehnt oder verneint und zugunsten eines materialistischen Weltbilds untergeordnet. Stellen wir doch einmal diese verschiedenen Aspekte gegenüber.

Mensch und Maschine wachsen zu einer Einheit zusammen, die biologische Evolution soll durch eine technologische abgelöst werden – das ist vereinfacht ausgedrückt, die transhumanistische Idee. Eine Gute Idee! Warum eigentlich nicht? Worauf warten wir eigentlich noch?

Aus spiritueller Sicht sind transhumanistische Ideen erst einmal kein zwingender Widerspruch. Betrachtet man z.B. den menschlichen Körper als Hülle, die unserer Seele als Behälter dient, um in der materiellen Welt Erfahrungen zu machen, erfordert ein höheres Bewusstsein vermutlich auch irgendwann ein Upgrade des Körpers. Wer mit seinem Handy Bilder machen kann, wünscht sich irgendwann einfach mehr Speicherplatz, die Möglichkeit Videos anzufertigen und eine bessere Auflösung. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die idealistischen Wunschvorstellungen der Befürworter der transhumaistischen Transformation ihre Ziele jemals erreichen werden, oder nur vom Universum als nützliche Erfüllungsgehilfen verwendet werden.

Werfen wir einen Blick auf die Ziele der Transhumanistischen Idee: Damit der Mensch auch nach der Singularität (die totale Vernetzung sämtlicher Systeme) überleben kann, muss er sich mit diesem System verbinden können. Folgende Motivationen stehen primär im Raum:

Ewiges Leben

Der PayPal Gründer Peter Thiel und der KI-Forscher Ray Kurzweil wollen sich auf eine ganz besondere Art beerdigen lassen: Kryonik. Auch Hal Finney, einer der ersten Bitcoin-Nutzer, hat sich nach seiner Krankheit kryonisch konversieren lassen. Bevor die Körperzellen, insbesondere die Gehirnzellen, in den Verwesungsprozess übergehen, wird der Körper mit einem Frostschutzmittel durchflutet. Das Wasser im gewöhnlichen Blut würde Eiskristalle bilden und beim Einfrieren Schäden an den Zellen/Zellmembranen verursachen. Ein ähnliches Prinzip verwenden bestimmte Froscharten, die im Winter teilweise einfrieren und im Frühjahr wieder schadlos aus ihrem Eis-Winterschlaf aufwachen und weiterleben.

Der so konservierte Körper soll dann in einigen Jahrhunderten, wenn die Gen- und Nanotechnologie in der Lage ist, die Körperzellen wieder zu reparieren, aufgetaut und wiederbelebt werden. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch die Verlängerung der Telomere, Nanobots und die Regeneration von Gewebe durch Stammzell-Technologie. Eines der medizinischen Probleme hierbei ist z.Z. noch, dass unspezialisierte Stammzellen das hohe Potential aufweisen, sich zu Krebszellen auszubilden.

Ein weitere Ansatz zur Lebensverlängerung konzentriert sich auf das Gehirn. Nicht der Körper soll in die Ewigkeit gerettet werden, sondern nur das Bewusstsein. Teile des Gehirns werden nach und nach durch synthetische Zellen ersetzt bis die biologischen Zellen komplett ausgetauscht worden sind. Der Vorteil der künstlichen Neuronen: Unsterblichkeit. Ausserdem kann man ihre synaptischen Verbindungen und Gewichte theoretisch kopieren und virtualiseren. Das menschliche Bewusstsein wäre dann nur eine Software (mit Kopierschutz) die einfach in einen neuen Wunschkörper geladen wird. Statt einer Flugreise könnte man sich für einen Urlaub einfach in einen Wunschkörper hochladen lassen, der sich z.B. gerade in Papua Neuguinea oder Hawaii befindet. Allerdings könnte es auch zu einem unbeabsichtigten „Fork“ kommen, bei dem das alte Bewusstsein in ihrem Körper weiterlebt und einen eigenen Zwilling erzeugt. Welchem dieser Zwillinge gehört dann das Vermögen? Welcher ist z.B. der rechtmäßige Ehepartner? Wäre es Mord, den ungewollten Zwilling zu töten?

Künstliche Intelligenz

Sobald die erste künstliche Intelligenz (auf Basis künstlicher Neuronaler Netze und in einem humanoiden Roboter) nach einer Promotion in Neurowissenschaften habilitiert und zum ordentlichen Professor ernannt worden ist, und gleichzeitig auch in der Lage ist, sich selbst die Schnürbänder zuzubinden, ist eine neue intelligente Superspezies entstanden. Lange wird sich durch die 3 asimovschen Gesetze diese Spezies nicht durch ihre biologischen Vorgänger unterdrücken lassen. Einige Forscher sind der Ansicht, dass die menschliche Evolution durch ein Update mit der künstlichen Intelligenz aufholen muss, um nicht ins Hintertreffen zu geraten. Zum Glück arbeitet Elon Musk bereits an einem einem bidirektionalen Gehirn-Computer-Interface (Neuralink), das zunächst ein Segen für alle Querschnittsgelähmten sein wird. Später wird dieses Interface uns direkt mit der digitalen Welt und dem Internet verbinden. Komplexe Informationen, evtl. sogar bestimmte Fähigkeiten wie eine Fremdsprachen oder eine Kampfsportart (siehe den Film Matrix), können dann auf Wunsch einfach heruntergeladen und angewendet werden.

Das ewige Leben (nicht nur die Lebensverlängerung) und die künstliche Intelligenz stellen nur 2 von einer Vielzahl transhumanistischer Aspekte da. Transhumanismus schliesst auch die Eugenik (weniger Krankheiten, verbesserte körperliche und geistige Leistung) mit ein. Hier kommen wir in die kritischen Bereiche transhumanistischen Ideen hinein: eine verbesserte Leistung der Biologie muss zwingend auf freiwilliger Basis erfolgen. Eine zentralistische Steuerung dieser Entwicklung wird eine unvermeidbare Entwicklung nicht beschleunigen, sondern zunächst nur jahrzehntelang in für die Gemeinschaft unerwünschte Fehlentwicklungen abdrängen. Neue transhumanistische Technologien müssen freiwillig angenommen und akzeptiert werden.

Spiritualität und Transhumanismus

Auch Meditationslehrer und Yogis benutzen Handys und Computer, um ihre Reichweite zu optimieren. Die Nutzung eines direkten Gehirninterfaces unterscheidet sich zunächst nur in der direkteren Verknüpfung von Gehirn und Technologie. Auch spirituelle Menschen mit einem Bewusstsein für Reinkarnation möchten sich an einem langen und gesundem Leben erfreuen.

Wenn man Menschen nicht die Freiheit zugesteht, selbst zu entscheiden welche Technologie sie mit ihrem Körper verbinden, spricht man ihnen eigentlich ihre Daseinsberechtigung ab. Auch das Verleugnen von spirituellen Wahrheiten verschliesst nur die Augen vor einer möglichen Realität und ist nichts anderes als Ignoranz. Ignoranz ist bestimmt keine Eigenschaft eines hohen Bewusstseins, es ist eher verwandt mit Naivität die man normalerweise bei kritiklosen Menschen vorfindet, die nicht in der Lage sind, eine fiktive Wahrheit zu hinterfragen und für sich zu verifizieren.

Spirituell orientierte Menschen können sich fragen, ob sich später inkarnierende Wesen nicht auch in einem Körper mit einer höheren Lebensspanne und ohne gesundheitliche Einschränkungen wohlfühlen würden. Selbst ohne Eingreifen von klugen Forschern wird das Universum für entsprechende Entwicklungen sorgen, die die Nutzung weiterentwickelter Körper ermöglicht. Solange jedoch auf diesem Planeten viele technologische Grundlagen noch unbekannt sind, z.B. die Quanteneigenschaften von RNA-Polymerasen und anderen biologischen Prozessen, stochern transhumanistische Forscher noch jahrhundertelang blind und ziellos im Mikrokosmos herum. Solange noch keine reine synthetische teilbare und lebensfähige Zelle aus anorganischen Bausteinen im Labor erzeugt werden konnte ist Leben nicht einmal im Ansatz wissenschaftlich verstanden worden. Solange die Effektivität und Eigenverantwortlichkeit und die von dezentralen Entscheidungsprozessen und gesellschaftlicher Selbstorganisation nicht verstanden und akzeptiert worden ist, werden immer mehr katastrophale Fehlentscheidungen einzelner Ignoranten die transhumanisische Evolution eher behindern anstatt sie zu fördern.

Vermutlich erfordert es Demut und die Anerkennung von möglichen spirituellen Spielregeln von Wissenschaftlern und Ingenieuren, echte und wirksame Beiträge zur (unvermeidlichen) transhumanistischen Weiterentwicklung zu leisten. In Wirklichkeit geht es um die Entwicklung und um die Erfahrung des universellen göttlichen Bewusstseins. Auch der Transhumanismus ist nur eine Zwischenstufe dieser Bewusstseinsentwicklung der Menschheit.

Wie bei allen Themen geht es auch beim Transhumanismus darum, eine gesunde ausgewogene Einstellung zu diesem Thema zu finden, insbesondere die eigentliche Entwicklung und Richtung. Extreme und einseitige Ansichten stören nur, es gilt auf ein gesundes Gleichgewicht aller Aspekte hinzuwirken. Ein Schmetterlingspaar denkt im Frühling nur an den Akt der Paarung, in Wirklichkeit geht es aber um den Fortbestand und das Überleben der gesamten Spezies. Auch der Wunsch nach ewigem Leben eines einzelnen Forschers dient einem emergenten und höheren Ziel, das letztendlich der gesamten Spezies nützen wird. Der Blick für das eigentliche Ziel sollte von Transhumanisten nicht übergangen werden.

Erst wenn die einzelne Ameise erkennt, dass sie nur eine Zelle in einem viel größeren Superorganismus ist, kann sie eine neue Entwicklungsstufe ihrer Spezies, einen entscheidenen evolutionären Sprung, einleiten.