Polytheismus in der Bibel?

Die abrahamitischen Religionen sind dafür bekannt, nur den einen wahren Gott zu verehren. Vor dem israelitischen Monotheismus gab es nur selten einen Monotheismus in einer größeren Kultur, z.B. der Aton-Kult des Pharaos Echnaton vor etwa 3300 Jahren. Um Israel herum wurden eine Vielzahl von Göttern verehrt, viele davon sind auch in der Bibel erwähnt, wie z.B. Dagon, Baal oder Astarte.

In der Bibel finden wir oberflächlich betrachtet ein immer wiederkehrendes Muster. Obwohl die Israeliten täglich die Wunder JHWH’s sahen, wie die Feuersäule und das tägliche Manna als Nahrung vom Himmel, wurden sie beim Kontakt mit umliegenden Stämmen und Nationen beeinflusst. Stämme wie z.B. die Kanaaniter, Hethiter oder Moabiter brachten treue (männliche) Israeliten oft dazu, ihre Götter wie z.B. Baal oder Astarte anzubeten. Wenn diese Praxis zu oft durchgeführt wurde, folgten entsetzliche Strafen des Höchsten mit verheerenden Auswirkungen wie Massensterben, Hungersnöte oder Gefangenschaft. Bereuten die Israeliten dagegen ihre Abwendung vom Monotheismus, folgten große Siege, Befreiung und goldene segensreiche Zeiten für das auserwählte Volk.

Die interessante Frage ist, waren andere Götter in der Anfangszeit Israels zu JHWH gleichberechtigt? Tatsächlich gibt es noch durchscheinende Hinweise in der Bibel, die auf eine Monolatrie in Israel hindeuten. D.h. die anderen Götter waren nicht nur leblose Götzen der fehlgeleiteten Nachbarvölker, sondern zunächst gleichberechtigte Gottheiten. In diesem Szenario wäre JHWH nicht der allmächtige Schöpfer des Universums, sondern lediglich eine Art Engel, der sich später über seine Brüder zum Hauptgott erhoben hat und diese dann später zu untergeordneten Geistwesen degradierte.

Werfen wir nun einen Blick in die Bibel. In 1. Mose 1:26 lesen wir „Lasst uns Menschen machen, nach unserem Bilde ähnlich“. Zu wem spricht Gott hier im Plural? Zu seinen Engelsgeschöpfen? Müsste es hier nicht eher „Ich werde Menschen machen, nach meinem Bilde ähnlich“ heißen?

In 1. Mose 11:7 reagiert Gott auf das erste Aufbegehren der Menschheit gegen seine Herrschaft. So spricht er: „Wohlan, lasst uns hinabsteigen und dort ihre Sprache verwirren, damit keiner mehr die Sprache des anderen versteht!“. Auch hier sagt Gott „lasst uns…“ und nicht „ich werde“ (hinabsteigen).

Auch König Salomo, der als weisester König Israels galt, wird Götzendienst nachgesagt. Müsste der weiseste König Israels nicht absolut sicher sein, dass es nur einen Schöpfer im Universum gibt und alle anderen Götter nur leblose Götzen sind, die der Phantasie der Menschen entsprungen sind? Warum stellte er das Bild der Göttin Astarte im Tempel auf? Warum baute er auch Höhen für die fremdländischen Götter Milkom und Kemosch und folgte dem Beispiel seiner fremdländischen Frauen (1. Könige 11:3-6)?

Einer der interessantesten Texte, der zurzeit diskutiert wird, ist die ursprüngliche Übersetzung von 1. Mose 11:7. In heutigen Bibelübersetzungen steht dort etwa:


Als der Höchste den Nationen das Erbe austeilte, als er die Menschenkinder schied,
da legte er fest die Grenzen der Völker nach der Zahl der Söhne Israel. 
Denn der Anteil des HERRN ist sein Volk, Jakob das Maß seines Erbteils.

In der ursprünglichen Bedeutung wird statt dem Höchsten im Original von Eljon gesprochen, der mehrere Gottensöhne hatte, und einer davon, JHWH, wurde dem Stamm Jakobs (später Israel) als Erbteil zugesprochen. Diese korrigierte Übersetzung passt viel mehr zum polytheistischen Weltbild der Sumerer aus Mesopotamien. Ob Eljon und El die Bezeichnungen für den selben Gott sind, ist nicht abschließend geklärt, jedenfalls wurden für Gott in der Bibel tatsächlich mehrere Namen verwendet: JHWH/Jahwe/Jehova, El / Eljon, Adonai oder El Shaddai.

In der Spiritualität ist es erlaubt, derartige Themen undogmatisch zu diskutieren und zu hinterfragen. Was meinen Sie? Gab es in der Anfangszeit der jüdischen Religion eine Monolatrie? Glaubten die Israeliten in ihrer jungen Geschichte an mehrere Götter, die zu JHWH gleichberechtigt waren?