Plötzliches Trauma

Jeder Lebensweg birgt unvorhersehbare Überraschungen und beinahe alle Menschen erleiden irgendwann einmal einen Schicksalsschlag. Einige dieser Erlebnisse setzen sich im Bewusstsein der Betroffenen derartig fest, dass sie noch Jahre später ihr Alltagsleben überschatten – in diesen Fällen sprechen Fachleute von einem Trauma. In diesen Fällen sollten Betroffene tätig werden und etwas dagegen unternehmen. Welche Ereignisse das Potenzial zur Traumatisierung besitzen, und wie Betroffene ihr Leiden selbst oder mit therapeutischer Hilfe überwinden können, wird im Folgenden etwas genauer aufgezeigt.

Ursachen für psychische Traumata – ein Überblick

Die Internationale Klassifikation psychischer Krankheiten (ICD-10) definiert ein Trauma als Ereignis von außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, das bei fast jedem Betroffenen tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Folgende Situationen entsprechen diesen Kriterien:

 

  1. Unfälle – je nach Schwere ein hohes Risiko

Schwere Verkehrsunfälle können bei den Beteiligten über die körperlichen Verletzungen hinaus schwere seelische Belastungen auslösen. Zwar sind Rettungskräfte und Klinikpersonal geschult, Unfallopfer im Zustand des Schockes vor allem gemäß der körperlichen Notwendigkeiten zu behandeln, dennoch fehlt hier zumeist die Einschätzung möglicher seelischer Spätfolgen. Insbesondere Menschen mit psychischen Vorerkrankungen oder schlechter sozialer Anbindung entwickeln nach Unfällen häufig wiederkehrende Ängste, Albträume und Depressionen. Klingt diese Symptomatik ein halbes Jahr nach dem Unfall noch nicht deutlich ab, sollten sich die Betroffenen um einen Psychotherapieplatz bemühen. Steht die Therapienotwendigkeit in direktem Zusammenhang zum Unfall, müssen die Kosten durch die Haftpflichtversicherung des Verursachers übernommen werden.
 

  1. Todesfälle – die Trauer kann einen Menschen auffressen

Der Verlust nahestehender Menschen wird innerhalb psychologischer Fachterminologie nicht als Trauma, sondern als „belastendes Lebensereignis“ aufgefasst, da er irgendwann innerhalb jedes Lebensweges eintritt. Dennoch können individuelle Umstände, z.B. der Verlust des Ehepartners durch eine Gewalttat oder der frühzeitige Verlust der Eltern, dazu führen, dass die Hinterbliebenen das Ereignis kaum überwinden können. Tiefe Trauer, die je nach persönlicher Konstitution auch lange Zeit andauern kann, bildet eine normale menschliche Erfahrung. Wenn infolge des Verlustes depressive Störungen, Ängste oder Suchterkrankungen auftreten und das individuelle Funktionsniveau nachhaltig herabsetzen, sollten sich Hinterbliebene jedoch in eine Therapie begeben.
 

  1. Naturkatastrophen – wenn das Erlebte unvergesslich grausam war

Bei Erdbeben, Flutkatastrophen oder Tsunamis tragen nicht nur die Opfer das Risiko, infolge der Ereignisse ein Trauma zu erleiden, sondern auch die Ersthelfer vor Ort. Zwar erhalten diese im Regelfall eine professionelle Schulung zum Umgang mit dem Erlebten, jedoch kommt es auch bei ihnen vor, dass sie sich durch Auslöser im Alltag wieder in die Katastrophensituation zurückversetzt fühlen und sogenannte „Flashbacks“ erleben. Zusammen mit weiteren Symptomen wie Albträumen, Nervosität und Gereiztheit charakterisieren die unwillkürlichen Erinnerungen eine posttraumatische Belastungsstörung, die nicht selten einer Behandlung bedarf.
 

  1. Gewalterlebnisse – wenn die Angst zum stetigen Begleiter wird

Ganz gleich ob Menschen Gewalt durch einen Einzeltäter erfahren, z.B. im Falle eines Raubüberfalls oder einer Vergewaltigung, oder ob Kriegszustände lebensbedrohliche Umstände schaffen – derartige Ereignisse lösen bei den Opfern häufig Traumata und posttraumatische Belastungsstörungen aus. Plötzlich auftretende Erinnerungsfetzen, Stimmungsschwankungen und Alpträume lassen den Alltag nach dem traumatischen Geschehen zur Qual werden und belasten zudem die bestehenden Beziehungen der Betroffenen. Viele Trauma-Opfer stehen unter einer andauernden Stressbelastung und zeigen erhöhte Aufmerksamkeit (Hypervigilanz), wobei sie dazu neigen, alltägliche Bilder und Geräusche als gefährliche Ereignisse fehlzudeuten. In diesen Fällen sollten Betroffene unbedingt  professionelle Hilfe in Anspruch nehmen, um zu vermeiden, dass sich eine posttraumattische Belastungsstörung zu einer andauernden Persönlichkeitsveränderung manifestiert.


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Wie wir ein Trauma überwinden können

„Was uns nicht umbringt, macht uns stärker“ – diese saloppe Redensart enthält durchaus einen Funken Wahrheit. Psychologen sprechen von posttraumatischem Wachstum wenn es Betroffenen gelingt, seelisch gestärkt aus einem Ereignis hervorzugehen. Je nachdem mit welcher Art Trauma wir es zu tun haben, gibt es verschiedene Möglichkeiten dabei vorzugehen. Zudem spielen individuelle Erfahrungen und Lebensumstände immer eine große Rolle dabei, den sinnvollsten Weg auszuwählen. Wer beispielsweise einen Trauerfall zu verarbeiten hat, durchläuft vier verschiedene Phasen, Experten zufolge. Von der Akut-Phase über die Realisierung bis hin zum langsamen Neubeginn und der Überwindung der Trauer – für jedes der einzelnen Stadien können bestimmte Methoden weiterhelfen:

 

  1. Über das Ereignis sprechen: Der Kontakt mit empathischen und einfühlsamen Gesprächspartnern kann das Gefühl mindern, mit den belastenden Ereignissen allein dazustehen und nicht verstanden zu werden.
    Dabei muss die Kommunikation über das Trauma nicht unbedingt mit den nahestehenden Familienmitgliedern stattfinden – dies kann sogar die Belastung verstärken, wenn Partner oder Kinder durch das Ereignis mitbetroffen sind. Innerhalb von Selbsthilfegruppen erhalten Betroffene hingegen die Möglichkeit, ihre Erlebnisse in einem geschützten Rahmen zu teilen und Tipps zur Traumabewältigung auszutauschen.
  1. Eigene Ressourcen nutzen: Nach einem belastenden Ereignis sollten Betroffene aktiv Beschäftigungen und Umfelder suchen, die ihnen in der Vergangenheit stets gut getan haben. Dies können sportliche oder kreative Hobbys sein, die Beschäftigung mit Haustieren, einfaches Spazierengehen oder jede andere denkbare Maßnahme, bei der sich die Betroffenen wohl fühlen. Die Fähigkeit, psychischen Stress mittels Rückgriff auf persönliche Kraftquellen von sich abprallen zu lassen, bezeichnen Fachleute als Resilienz. Tools zur praktischen Anwendung vermitteln Psychologen und Coaches innerhalb des sogenannten Resilienztrainings.

Unter Umständen können diese Punkte auch für die Überwindung anderer Traumata eingesetzt werden, denn es ist oft eine ähnliche Einteilung in Phasen zu beobachten. Grundsätzlich kann es jedem helfen, sich mit seinen Problemen nicht alleine auseinandersetzen zu müssen. Auch wer mit den Folgen einer Naturkatastrophe zu kämpfen hat oder Opfer von Gewalt geworden ist, sollte die Möglichkeit wahrnehmen über seine Situation mit anderen zu sprechen. Dies kann ein fachlich geschulter Psychologe sein oder andere Personen, die möglicherweise dasselbe durchgemacht haben. Bei Letzteren ist oftmals die Hemmschwelle niedriger sich anzuvertrauen und es können etwa mit moderierendem Eingriff gemeinsam Lösungswege erarbeitet und die Geschehnisse bewältigt werden. Zudem lässt sich auch die Ablenkung zum zeitweiligen Schutz in der ersten Akut-Phase auf andere Situationen übertragen.

Therapeutische Maßnahmen

Eine professionelle Therapie ist dann angezeigt, wenn sich infolge des Traumas sogenannte Traumafolgestörungen entwickeln. Dies können die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung sein sowie Depressionen, generalisierte Angststörungen und Phobien. Die aufgeführten Therapieverfahren eignen sich speziell zur Behandlung von Trauma-Betroffenen:

EMDR: Obgleich Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen die Meinung der Fachwelt spalten, ist das Eye Movement Desensitization and Reprocessing (kurz: EMDR) in Deutschland als Verfahren zur Behandlung von Traumata zugelassen, sodass die anfallenden Therapiekosten durch die gesetzliche Krankenkasse übernommen werden. Innerhalb der Behandlung führt der Patient, während er das traumatische Ereignis schildert, schnell wechselnde Augenbewegungen aus, indem er einem Licht oder der Hand des Therapeuten folgt. Durch die Stimulation beider Gehirnhälften soll es dem Patienten möglich werden, das belastende Erlebnis wie eine neutrale Erinnerung abzuspeichern.

Biofeedback: Innerhalb einer Biofeedback-Methode erhält der Betroffene mittels Puls- oder Blutdruckmessung oder der Bestimmung des elektrischen Hautwiderstandes unmittelbare visuelle Informationen über seinen Stresszustand. Dabei können Trauma-Betroffene abgleichen, ob ihr subjektives Empfinden ihrem vegetativen Stresslevel entspricht, und trainieren, beruhigend auf den eigenen Zustand einzuwirken. Die unmittelbare Erfolgsrückmeldung über die Biofeedback-Parameter erhöht meist die Motivation, Entspannungstechniken zu erlernen und konsequent anzuwenden. Biofeedback-Verfahren können durch autogenes Training oder progressive Muskelentspannung optimal ergänzt werden.

Dialektisch-Behaviorale-Therapie: Ursprünglich zur Therapie der Borderline-Persönlichkeitsstörung entwickelt, erwies sich die Dialektisch-Behaviorale Therapie (kurz: DBT) bislang als überaus wirksam in der Behandlung von posttraumatischen Belastungsstörungen. Das Verfahren beinhaltet neben Grundsätzen der Verhaltenstherapie auch Elemente asiatischer Meditationstechniken. Die Betroffenen erlernen hierbei bestimmte Fertigkeiten (Skills) in den Bereichen Stresstoleranz, innere Achtsamkeit, Selbstwert, Zwischenmenschliches und Gefühlsmanagement, die ihnen den Umgang mit den Erlebnissen erleichtern.

Kognitive Verhaltenstherapie: Eine kognitive Verhaltenstherapie kann traumatisierte Menschen vor allem dann unterstützen, wenn sich infolge der Ereignisse Depressionen oder Angststörungen entwickelt haben. Insbesondere bei speziellen Phobien, z.B. der Angst vor öffentlichen Plätzen, Supermärkten oder Verkehrsmitteln, kann eine Expositionstherapie irrationale Ängste auflösen. Hierbei setzt sich der Patient in enger Absprache mit dem Therapeuten den stressauslösenden Situationen aus und erhält die Möglichkeit gute Erfahrungen zu machen. Phobien gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen mit einer unglaublichen Vielfalt, die mit 95 Prozent die höchste Heilungsrate aufweisen.

Psychoanalyse und tiefenpsychologische Verfahren: Von einer Psychoanalyse oder einer tiefenpsychologisch fundierten Therapie profitieren vor allem Menschen, bei denen traumatische Erlebnisse bereits lange Zeit zurückliegen. Missbrauch oder Gewalterfahrungen in der Kindheit können bei den Betroffenen zu dysfunktionalen Verhaltens- und Beziehungsmustern führen, die sich kontinuierlich wiederholen und dabei das spätere Leben negativ beeinflussen können. Im Rahmen einer Psychoanalyse findet häufig eine gewollte Übertragung statt, innerhalb derer der Patient Beziehungsmuster auf den Therapeuten projiziert und die Möglichkeit erhält, konstruktivere Varianten zu entwickeln. Dies kann nachhaltig helfen, traumatische Ereignisse zu überwinden und neue Lebenswege einzuschlagen.

Fazit

Obgleich das traumatisierende Ereignis selbst meist große Bestürzung auslöst, können Außenstehende die gravierenden Folgen für die Betroffenen nur schwer nachvollziehen. „Lass das doch endlich ruhen – es ist doch schon so lange her!“ – Äußerungen, die Trauma-Opfer häufig zu hören bekommen, stellen keine adäquate Unterstützung bei bleibenden Albträumen, Flashbacks und anderen Symptomen einer posttraumatischen Belastungsstörung dar. Betroffene, die erkennen, dass das Erlebte sie nicht loslässt und ihren Alltag überschattet, sollten nach 6 Monaten darüber nachdenken, sich therapeutische Unterstützung zu suchen.

Bildquellen:

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