Mythologie der Riesen

Riesen finden wir in sämtlichen Mythologien der Welt. Oft sind sie Gegenspieler der Götter und mit den Kräften des Chaos verknüpft, ähnlich wie Drachen oder Ungeheuer. Im Gegensatz zu Letzteren sind Riesen aber den Göttern und Menschen nicht ganz unähnlich. Den polaren Gegenpol der Riesen bilden die geschickten Zwerge.

In der nordischen Mythologie haben die Riesen, die Jötunn, die in Jötunheimr leben, eine zentrale Rolle. Einer der bekanntesten Riesen ist Ymir, der Urriese, aus dessen Leichnam die Welt geschaffen wurde. Der Riese Thrym stahl eines Tages Thors Hammer Mjölnir und verlangte ein Lösegeld für die Rückgabe.

Wir finden Riesen auch in der griechischen Mythologie, wo die Giganten aus dem Blut von Uranus und Gaia entstanden sind. Der Gigant Polyfones kämpfte einst gegen den Gott Poseidon, auch hier ist ein Riese ein Gegenspieler einer Gottheit.

In der hinduistischen Mythologie werden einige Asuras und Dämonen riesenhaft beschrieben. In der irisch-keltischen Mythologie gibt es den Riesen Balor, dessen böser Blick Zerstörung bringt. In China verfolgte der Riese Kuh Fu einst die Sonne, um sie zu fangen. Auch im Islam werden einige Djinn mit riesenhaften Attributen beschrieben.


Doch auch die christliche Mythologie kennt Riesen, die Nephilim. So steht im Alten Testament, dass die Söhne Gottes (Engel) sahen, dass die Menschentöchter schön waren und sie mit ihnen Riesen zeugten. Diese waren Helden, Männer von Ruhm (Genesis 6:1-4). Sie wurden durch die anschliessende Sintflut alle ausgelöscht.

Riesen sind zwar Repräsentanten des Chaos, oft jedoch auch die Kinder oder Eltern von Göttern und Menschen. Sie begegnen uns in Märchen, Sagen und Mythen. Sie sind übernatürlich gross und mächtig und nehmen es sogar mit Göttern auf. Aufgrund ihrer Größe und Kraft sind sie den Menschen körperlich überlegen, meistens bedrohlich. Manchmal sind sie nur etwas größer als reale Menschen, oft gigantische Wesen mit den Ausmassen von Wolkenkratzern.

Riesen dienen in der Mystik als Gegenspieler der Götter. Im Gegensatz zu Dämonen und Monstern des Chaos sind sie uns Menschen ziemlich ähnlich. Manche Riesen, insbesondere in Märchenerzählungen, sind nicht besonders klug (Im Gegensatz zu den weisen Zwergen). Hier kompensieren sie mangelnde Intelligenz durch ihre Größe und Kraft. Insgesamt wirkt der Archetyp des Riesen erdgebunden und fest in der Materie verhaftet. Selten hat ein Riese besondere Zauberkräfte oder übernatürliche Kräfte. Sie ordnen sich selten einer Herrschaft unter und tun und lassen, was sie wollen. Oft werden Riesen trotz ihrer Kraft und Größe durch List und Intelligenz von Menschen und Göttern überlistet. Dies vermittelt in Märchen oft die Botschaft, das Wissen und Klugheit mächtiger und bedeutsamer ist als körperliche Kraft und Stärke.

Auch im Alten Testament lesen wir vom Kampf David gegen den (Riesen) Goliath. Auch wird wird eine scheinbar unbezwingbare Stärke und Größe vom schmächtigen David mit einer einfachen Steinschleuder bezwungen.

Im Mythos sind Riesen oft etwas dümmlich, manchmal sind sie aber aber den Menschen und Göttern in Wissen und Intelligenz ebenbürtig. Hier sind sie ganz einfach Repräsentanten des Chaos, oft sogar in einer Opferrolle, z.B. wenn sie von Göttern oder Menschen ausgetrickst werden.

Riesen werden uns in der Mythologie, Märchen und in der Pop-Kultur und Hollywood weiterhin als Symbole der Stärke und der brachialen Gewalt weiter begleiten. Jedes Kind versteht auf Anhieb den Symbolgehalt, der in einem Riesen enthalten ist. Gleichzeitig sind Riesen aber auch sehr menschlich wodurch sich hier tiefere Persönlichkeitsebenen und Bedeutungsebenen transportieren lassen. Oft erscheinen sie dem Protagonisten in einer Handlung zunächst bedrohlich und furchterregend und stellen sich dann später als harmlos und sehr freundlich heraus – auch diese Geschichte wird häufig erzählt.

Auf einer magischen Ebene können wir in die Rolle eines Riesen schlüpfen, um uns mit mehr Selbstvertrauen gegenüber Anderen aufzustellen. Auch können Riesen mühelos schwere Aufgaben erledigen. Gleichzeitig bleiben wir aber weiterhin menschlich und nahbar. Mit dem Archetypen des Riesen kann auf vielfältige Weise gearbeitet werden. Er ist ein interessantes und greifbares Symbol für Stärke und Macht ohne dabei die Bodenhaftung zu verlieren.