Der gnostische Demiurg

Das Konzept des „Demiurgen“ ist eine faszinierende und interessante Gestalt der Gnostiker (griechisch gnosis, γνῶσις = Wissen). Was können wir aus dieser Lehre praktisch anwenden? Besitzen die Gnostiker den Schlüssel zum Verständnis der sprituellen Welt?

Das Weltbild der Gnostiker entwickelte sich im 1. Jahrhundert nach Christus. Im frühen Christentum existieren noch viele gnostische Einflüsse und Strömungen die später von der katholischen Staatskirche stark bekämpft und unterdrückt wurden. Die Gnosis besitzt auch (nicht-kanonische) jüdische und iranische (Zoroastrismus) Wurzeln. Starke gnostische Einflüsse finden wir auch im Orden der Tempelritter und heute auch bei den Freimaurern.

Was sagen die Gnostiker in einfachen Worten und was ist ein „Demiurg“? Die verschiedenen Leeren der Gnosis unterscheiden sich oft, deshalb sei hier eine der verbreiteten Erklärungen kurz angerissen:

Grob gesagt gibt es einen transzendenten (guten) Gott, der mit unserer materiellen Dimension eigentlich gar nicht viel zu tun hat. Durch eine Art schöpferischer Unfall hat dieser transzendente Gott die grobstoffliche materielle Welt erschaffen, indem er die Entstehung einer Art (inversen) Spiegelung der feinstofflichen Welt herbeigeführt hat. Als Bestandteil der transzendenten Dimension, kann dieser transzendente Gott allerdings nicht in der grobstofflichen materiellen Welt wirksam sein. Er kann hier nicht direkt eingreifen. Bei der schöpferischen Spiegelung seiner Dimension wurde nicht nur die gesamte Materie geschaffen sondern auch – sozusagen als Nebenprodukt – eine grobstoffliche Kopie seiner Selbst. Diese Kopie (Demiurg/JHWH) kann als einzige Kraft in der materiellen Welt schöpferisch tätig sein. Das Problem: der Demiurg besitzt charakterliche Fehler und da er größtenteils mit dem echten Schöpfergott identisch ist, weiss er nicht, dass er nur eine Kopie ist. Dieser Demiurg ist der wahre Baumeister der Welt, hat diese aber in einer unvollkommenen Weise erschaffen. Trotzdem besitzt der materielle Mensch einen göttlichen Funken (noch aus der Sphäre des transzendenten Gottes) und kann die Gefangenschaft in der Materie durch Rituale und einen besonderen Lebenswandel überwinden.


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Eine Ursache für diese Vorstellung ist die Feststellung, dass insbesondere der Gott des alten Testaments unfassbar viel Grausamkeit und Zorn an den Tag legt. Diese Vorstellung steht im Widerspruch zum christlichen Gott des neuen Testaments, der sich durch Liebe, Güte und Gerechtigkeit dem Menschen gegenüber auszeichnet.

Eine Lösung für die Probleme der Welt wäre laut dem Weltbild vieler Gnostiker, dem Demiurgen die Natur der Dualität seiner Herkunft vor Augen zu führen und den transzendenten Lichtfunken im Menschen zu erwecken. Durch diese Selbsterkenntnis seiner Natur würde der Demiurg seine schöpferischen Fehler erkennen und bestrebt sein, wieder mehr transzendente Qualitäten in der Welt zum Ausdruck zu bringen.

Dieses Weltbild erinnert ein Wenig an die christliche Vorstellung von Gott und Teufel als gegensätzliche Prinzipien, wobei laut der Gnosis der Gott des alten Testaments eigentlich mit dem Teufel (als Beherrscher der Welt) gleichzusetzen ist. Erst Christus bringt wieder transzendente Einflüsse in unsere Welt. Natürlich wurde die Vorstellung, Gott sei in Wirklichkeit der Teufel in der Frühkirche als Ketzerei und Gotteslästerung interpretiert und stark bekämpft. Die tiefere Ebenen der Weisheit wurden nicht verstanden und völlig übersehen.

Wir können aus dieser Lehre etwas Wertvolles für uns herausziehen. Unsere Welt ist durchdrungen von einem fraktalem (selbstähnlichen) Prinzip der Dualität: Licht und Schatten, Tag und Nacht, Sommer und Winter, Weiblich und Männlich, Gut und Böse… ohne Licht existiert kein Schatten, ohne Finsternis wäre das Licht nur ein monotones Energiefeld ohne jegliche Bewegung oder Transzendenz. Jeder versucht im Leben sein Glück zu finden, jeder besitzt viele positive Wesensmerkmale, aber immer auch viele negative. Die Kunst im Leben besteht gerade darin, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen den innewohnenden dunklen und lichtvollen Energien zu finden. Wenn wir immer nur auf die Wünsche Anderer eingehen und unsere eigenen Bedürfnisse (fremdbestimmt) zurückstellen, werden wir kein wahres Glück im Leben finden können. Wenn wir stets nur Egoistisch und rücksichtlos agieren, werden wir unsere Lieben um uns herum immer wieder enttäuschen und ebenso kein wahres Glück finden. Nur die bestmögliche Vereinigung der Qualitäten, hin zu einer gesunden Dualität, wird uns eine Entwicklung zur spirituellen Vollkommenheit und Reifung der eigenen Persönlichkeit erlauben. Dies ist ein fortlaufender Lernprozess, der eine intensive Auseinandersetzung mit unseren verschiedenen Seelenanteilen und Persönlichkeitsmerkmalen erfordert und viel Arbeit an uns selbst und eine hohe Selbsreflektion erfordert.

Die Gnosis ist eine Philosophie, die uns den polaren Charakter der Welt vor Augen führen möchte. Wir sind ein Teil dieser Welt und spiegeln im Kleinen diese Prinzipien in uns wieder. Auch wir sind schöpferisch tätig, erfahren durch unsere Sinne die Welt, erleben gute und erfolgreiche Zeiten, aber auch leider schwere Schicksalsschläge und Rückschläge. Aus beiden Erfahrungen lernen wird und erkennen unsere Grenzen. Meistens gelangen wir an diese Grenzen, wenn wir entweder den vermeidlich guten Prinzipen oder den negativen Prinzipien einseitig nachgeben. Dann ist es an der Zeit, der anderen Seite der Waage mehr Aufmerksamkeit zu widmen und dabei vielleicht alte Prinzipen, Grundsätze und Glaubenssätze zu überdenken oder sogar völlig zu verwerfen. Nur wenige haben dabei das Glück, alle richtig zu machen, diese Tatsache muss einfach akzeptiert werden.

Weitere Erkenntnisse bei diesem Lernprozess ist der Charakter der Welt als Matrix oder Weltensimulation. Wir erkennen uns immer mehr in einer virtuellen Realität mit verborgenen Naturgesetzen. Wir sind dabei ein wenig wie bewusste Computerprogramme, die sich ihrer Natur bewusst werden. Irgendwann erkennen wir, dass der grosse Programmierer, ein übergeordnetes Schöpferprinzip, hinter den Dingen steht und diese Computersimulation der Welt seinen Vorstellungen entsprechend (manchmal auch zu unserem Nachteil) gestaltet. Wir erkennen aber auch, dass dieser Programmierer eigentlich selbst nur Teil einer übergeordneten Simulation ist und ebenfalls in einer virtuellen Welt gefangen ist, sich dieses Umstandes aber nicht bewusst ist. Es liegt auf der Hand, dass der Programmierer den Warnungen und Hinweisen seiner pixelhaften Geschöpfe keinen Glauben schenken will, da er sich ja selbst als mächtigstes Wesen des sichtbaren Universums wahrnimmt.

Die wirkliche Natur des Universums und seiner ganzen Verschachtelungen ist unserem begrenzten Verstand vermutlich gar nicht erschöpfend zugänglich. Wie Ameisen mit einer eingeschränkten Wahrnehmung können wir nur raten, welche Form z.B. ein alter in den Wald geworfener Schuh hat, der plötzlich auftaucht, erst recht nicht sein ursprünglicher Zweck sowie Bestimmung.

Mit dieser begrenzten Erkenntnis können wir uns einfach nur bestmöglich abfinden und versuchen, das ideale Gleichgewicht in allen Aspekten des Lebens herbeizuführen. Die Beschäftigung mit Themen wie Gnosis und Demiurg gehören ebenfalls dazu.