Die rote oder die blaue Pille?
Täglich entstehen neue Visionen und Utopien über die Zukunft der Menschheit. Wer gerne hinter die Kulissen des Theaters blickt erkennt schnell, dass momentan ein heftiger Machtkampf im Hintergrund tobt. Eine Fraktion wünscht sich mehr Kontrolle, Konformität und weniger individuelle Freiheit. Dafür wird für alles gesorgt sein: Nahrung, Kleidung und Unterhaltung im begrenzten Masse. Die andere Fraktion möchte das Potenzial der Menschheit steigern, indem die individuelle Eigenverantwortlichkeit, Kreativität und Freiheit verstärkt wird, allerdings auf Kosten der sozialen Sicherheit.
Im Filmen wie Die Matrix wird uns die Existenz einer dahinterliegenden Wahrheit auf dystopische Art und Weise offengelegt: Menschen leben in einer ausschliesslich virtuellen Realität, völlig abgetrennt von der tatsächlichen Wirklichkeit um sie herum. Selbst wenn man sie auf die unheimliche Wahrheit aufmerksam macht, möchten sie das wohlige gewohnte Weltbild weiterhin beibehalten. Im Roman 1984 wird sagen beschrieben, wie eine totalitäre Regierung den absoluten Überwachungsstaat installiert und jede Form von Opposition unterdrückt sowie Geschichtsfälschung betreibt. Aktuell erleben wir Bewegungen, die die KI als perfekte Steuereinheut für eine funktionierende Planwirtschaft propagiert. Dabei kann auch die klügste KI nicht wissen, was für deine Wünsche und Bedürfnisse das Beste ist. All diese Gesellschaftsmodelle haben eine gemeinsame Schnittmenge: die absolute Konzentration von Macht und Kontrolle. Egal, ob man sich im eher rechten oder linken Spektrum der politischen Landschaft bewegt: wie auf einem Ring treffen sich die extremen Positionen bei der gleichen Schnittmenge: absolute Konzentration von Macht und Kontrolle einer privilegierten Elite über eine kollektivistische Masse.
Wie weit sind diese Utopien aktuell von der Realität entfernt? Viele Elemente erleben wir bereits jetzt. Grosse Socialmedia Konzerne filtern ungewünschte Narrative. Wir teilen per Smartphone in jedem Augenblick unseren Standort, unsere Interessen und persönlichen Informationen. Das Thema Privatsphäre und Datenschutz wird immer mehr von uns ignoriert, kritisches Denken gegenüber den Mächtigen existiert in vielen Punkten nicht mehr oder wird sogar bestraft und geahndet. Eine eigene Willens- und Meinungsbildung ist nicht möglich, da zentral gesteuerte Medien uns lediglich Angebote machen, zwischen denen wir wählen müssen.
Wie geht man als spirituell orientierter Mensch mit diesen Entwicklungen um? Es werden uns täglich neue Angebote an Informationen und Weltbildern gemacht, teilweise zeigen sie uns völlig gegensätzlich Meinungen und Optionen. Hinzu kommt eine unglaubliche Reizüberflutung an Ablenkungen durch Socialmedia und die Medien insgesamt. Es ist nahezu unmöglich sich dem Sog der einen oder anderen Seite zu entziehen und irgendeine Form von Partei zu ergreifen. Religiöse Führer erklären uns, welchen weltlichen Standpunkt wir einnehmen sollen, spirituelle Führer und Gurus schliessen sich plötzlich politischen Strömungen an und dienen als Sammelbecken für ideologisch geprägte neue Mitglieder.
Eine dritte Möglichkeit wird dabei kaum thematisiert: sich auf das Selbst zu konzentrieren, die Wahrheit in sich selbst zu entdecken und den Fokus weg von äußeren Einflüssen hin zu innerer Wahrheit zu lenken. Selbst wenn man die spirituelle Autarkie anstrebt, oder sich auf Immanenz konzentriert, gibt es in dieser Richtung immer noch Abzweigungen, die einem vom wahren Ziel ablenken können. Innere Einkehr oder Selbsterkenntnis können unbewusst als eine Art Realitätsflucht missbraucht werden. Anstatt sich bei der Selbstfindung auf den inneren göttlichen Funken und die damit einhergehende kreative Verantwortung zu konzentrieren, versucht man lediglich aus dem Überangebot an Weltbildern zu fliehen. Das Ziel besteht hierbei nicht in der Selbsterkenntnis sondern zunächst darin, die fremdbestimmten Angebote komplett abzulehnen. Sicherlich ist das ein guter erster Schritt, versperrt einem jedoch die Möglichkeit, die Dinge mit Abstand so wahrzunehmen, wie sie tatsächlich sind, sondern ignoriert Aspekte der Realität aus einer ignoranten Grundhaltung heraus.
Gleichzeit Beobachter im Aussen und im Inneren zu sein – das ist eine anspruchsvolle Kunst. Dinge zwar für sich bewerten, aber sich nicht emotional mitreissen zu lassen sondern einfach zu akzeptieren, dass diese Angebote nicht Teil der eigenen Realität sind (oder sein müssen). Manchmal muss man sich gar nicht zwischen der einen oder anderen Seite entscheiden – mehrere Wahrheiten existieren parallel und jeder Mensch kann sein eigenes Realitätsfeld erzeugen. Allerdings wird einem das nirgendwo beigebracht, auf diese Erkenntnis muss der Einzelne irgendwie selber kommen. Natürlich kann man sich gelegentlich mehr mit dem einen oder anderen Angebot identifizieren, dann wir bleiben ja – solange wir leben – Teil der materiellen Spielwiese. Wenn wir aber zulassen, dass bestimmte Gedankenströmungen uns zu sehr in Beschlag nehmen und für sich vereinnahmen, werden wir abhängig und beeinflussbar und verlieren unsere Fähigkeit, eigene Gedanken und Anschauungen zu manifestieren. Wir arbeiten nicht mehr an dem Aufbau unserer eigenen Realität sondern füttern lediglich fremde Visionen mit unserer Energie und Lebenszeit. Wir helfen anderen Spielern, ihr Spiel zu gewinnen und können selbst dabei nur verlieren.
Welche Pille nimmst du nun? Die rote (Aufwach-) Pille oder die blaue, die dich weiter in einem bestehenden Gedankenkonstrukt verbleiben lässt? Die Wahrheit ist: du kannst beide Pillen einnehmen oder auch beide für dich ablehnen – du musst dich nicht immer zwingend für eine oder die andere Seite entscheiden.
Manchmal spielt man uns eine völlig verdrehte Realität vor, manchmal passt das Angebot aber auch ganz gut zu unserer Persönlichkeit. mit einem geschärften kritischen Blick kann man oftmals bereits viele illusionäre Trugbilder durchschauen und die wirklichen Kräfte dahinter erkennen. Wahrheit ist nicht objektiv sondern liegt immer auch ein Stück weit im Auge des Betrachters.
Entscheide selbst, was du betrachten willst oder was eben nicht.